Birgit Frank
Auf Einladung des Bürgermeisters von Cieszanów besuchten wir die Gemeinde im Südosten Polens. Die Gemeinde Cieszanów feierte an diesem Wochenende den 50. Jahrestag ihrer Gründung. Cieszanów besteht aus 6 einzelnen Dörfern, die auf einer Fläche von 15 km² im Südosten Polens, 840 Kilometer entfernt von Radeburg, liegen. Die Einwohnerzahl ist ähnlich wie in Radeburg.
Der Freundschaftsvertrag zwischen Cieszanów und Radeburg (vertreten durch den Ortsteil Berbisdorf) wurde 2007 von den Bürgermeistern der Städte, Zdzislaw Zadworny und Dieter Jesse, unterzeichnet. Dieser Vertrag steht für das gegenseitige Kennenlernen der Bürger’innen beider Städte, die Zusammenarbeit von kommunalen Einrichtungen wie Schulen und wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Organisationen und er soll den kulturellen Austausch im Bereich Kultur, Sport und Tourismus fördern.
Die Einladung bzw. unser Besuch sollte der erste Schritt sein, diesen bestehenden Vertrag wieder mit Leben zu füllen.
Bei dem Festakt in der Sporthalle in Cieszanów nahmen neben den offiziellen Vertretern der Gemeinde und des Landkreises und den Bürger’innen von Cieszanów auch die Vertreter der Partnerschaftsgemeinden aus Ungarn, Argenbühl Deutschland und Rumänien teil. Die Delegation aus der Partnergemeinde in der Ukraine konnte aufgrund der aktuellen Kriegssituation nicht teilnehmen.
Alle Reden anlässlich des Festaktes brachten neben den Glückwünschen zum 50. Jubiläum, dem historischen Bezug und der Entwicklung der Gemeinde Cieszanów immer wieder den Wunsch der Menschen nach Verständigung und
Frieden zum Ausdruck. Ein Schritt sind persönliche Kontakte zwischen den Bürger‘innen der Gemeinden. Gerade persönliche Kontakte sind eine wichtige Grundlage für das gegenseitige Verstehen der Menschen aus verschiedenen Ländern und können jedem Menschen eine neue Sichtweise eröffnen. Wünschenswert ist besonders das Kennenlernen der Jugend beider Städte. Die Bereitschaft von Cieszanów für einen Schüleraustausch ist vorhanden.
Unsere Bürgermeisterin trug folgendes Grußwort vor:
„Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Stadträte, im Jahr 2007 unterzeichneten die Vertreter unserer beiden Städte Cieszanów und Radeburg einen Freundschaftsvertrag. Anlass war die 650-Jahr-Feier von Berbisdorf, einem Ortsteil der Stadt Radeburg, und die Partnerschaft unserer beiden Städte mit der Gemeinde Argenbühl.
Unsere beiden Städte vereinbarten den Erfahrungsaustausch und die Zusammenarbeit in sozialen und wirtschaftlichen Bereichen.
Im Namen des Stadtrates sowie der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Radeburg gratuliere ich Ihnen recht herzlich zu Ihrem 50-jährigen Jubiläum der Gründung Ihrer Gemeinde. Damit verbunden sind die besten Wünsche für eine weitere erfolgreiche und positive kommunale Entwicklung.
Allen Bürgerinnen und Bürgern von Cieszanów sende ich meine herzlichsten Grüße.
Ich freue mich, dass Sie alle die 50-jährige Geschichte Ihrer Gemeinde würdigen.
Die Beschäftigung mit der Geschichte trägt dazu bei, das Gemeinschaftsgefühl zu fördern und die Verbundenheit der Menschen mit ihrer Heimat zu stärken. Das ist unverzichtbar in unserer Zeit.
Die Basis unserer demokratischen Gesellschaft ist das soziale und politische Leben in unseren Städten und Gemeinden. Nur eine Bürgergesellschaft, die sich aktiv und engagiert mit Fragen von öffentlichem Interesse beschäftigt, wird den Fortschritt unserer Länder und ein gutes und friedvolles Zusammenleben in Europa sichern.“
Das kulturelle Rahmenprogramm während des Jubiläums hat uns begeistert.
Die polnische Gastfreundschaft ist unbeschreiblich. Wir wurden in den 3 Tagen mit aller Aufmerksamkeit und Herzlichkeit umsorgt. Von der Ankunft am Donnerstag-Abend über das Rahmenprogramm am Freitag (Besuch einer Natur-Vogelstation und eines Naturerlebnisparks) und dem Festprogramm am Samstag mit kulturellem Programm aller einzelnen Dörfer, gestaltet von den Schulen und Vereinen, war es eine erlebnisreiche Zeit.
Für das leibliche Wohl wurde in vollem Umfang gesorgt.
Die polnische Küche ist sehr gut, vielfältig und bodenständig, und ja, Vodka, gab es auch. Die Trinkgewohnheiten unterscheiden sich von den unseren, es wird auch Bier getrunken, aber eigentlich eher Vodka – und diesen mit entsprechend viel Wasser. Eines ist sicher, als Gast ist man in Polen König, es wird alles getan, dass man sich wohlfühlt.
Besonders in Erinnerung bleiben die persönlichen Berichte am Rande dieser Veranstaltung über die Zeit des Ausbruchs des Krieges in der Ukraine. Cieszanów liegt ca. 30 Kilometer von dem Grenzübergang Budomierz-Hrushov entfernt.
Mit Beginn des Angriffes von Russland flüchteten viele Tausend Menschen über diesen Grenzübergang. Es kamen fast nur Frauen mit Kindern und ältere Menschen. Es war Winter und sehr nass und kalt.
Manche kamen mit einem konkreten Ziel und waren nur auf der „Durchreise“. Viele hatten aber kein Ziel und wollten nur fort aus der Ukraine und ihr Leben retten. Die Menschen waren verzweifelt und niemand war auf diese Situation vorbereitet. Niemand konnte sich auch bei allen Gegensätzen eine solche Situation vorstellen.
Mir persönlich ist in Erinnerung geblieben, wie die Menschen aus Cieszanow darüber erzählen mussten. Auch wie die Menschen jetzt mit der direkten Bedrohung des Krieges wenige Kilometer von der ukrainischen Grenze umgehen.
Was sie denken und was sie hoffen. Das tiefe Vertrauen, als Mitgliedstaat der NATO nicht angegriffen zu werden. Obwohl das Leben in Cieszanów mittlerweile wieder seinen normalen Gang geht und sich die Situation an dem Grenzübergang entspannt hat, ein ungutes Gefühl bleibt.
Foto: Harald Frank